BSW: Das steht in Wagenknechts EU-Wahlprogramm (2024)

Milde mit Russland, keine Waffen für die Ukraine und wieder mehr Nationalstaat: Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat erstmals seine Europapolitik definiert.

Von Lisa Caspari

Mit der Forderung nach Friedensverhandlungen für die Ukraine und einer Reduzierung der EU-Vorgaben für die Klimapolitik geht das Bündnis Sahra Wagenknecht in seinen ersten Wahlkampf. 25 Seiten lang ist der Entwurf des Parteiprogramms für die Europawahl am 9. Juni, der ZEIT ONLINE vorliegt. Es ist die erste ausführlichere politische Verortung der neuen Formation.

Drei Hauptbotschaften kristallisieren sich heraus: Das BSW sieht sich als eine der wenigen politischen Parteien, die noch für Frieden und Abrüstung eintreten: "Die Sprache des Krieges herrscht wieder in Europa." Außerdem setzt sich das Bündnis Sahra Wagenknecht für weniger Verbote und mehr "Technologieoffenheit" in der bisherigen Klimaschutzpolitik ein. Und die neue Partei formuliert eine klare Distanz, ja teilweise auch Verachtung, für die bisherigen EU-Institutionen. Die EU sei "ein Europa der Banken und des Big Business".

Der Programmentwurf wurde nach Angaben aus der Partei zunächst vom BSW-Vorstand beschlossen, Ende Januar soll er auf dem Gründungsparteitag in Berlin mit den 450 Gründungsmitgliedern diskutiert und von diesen dann abgesegnetwerden.

Eine Übersicht über die wichtigsten Punkte:

Abrüstung und Friedensverhandlungen für die Ukraine

In der Europäischen Union habe sich "der Irrglaube durchgesetzt, dass nur Waffen und hochgerüstete Armeen die Lösung von Konflikten ermöglichen", heißt es in der Präambel des BSW-Programmentwurfs: "Friedliche Lösungen durch Diplomatie und Interessensausgleich werden blockiert. Das wollen wir ändern."Das Europawahlprogramm des BSW findet dabei durchaus wohlwollende Worte für Russland. Die neue Partei wolle sich für eine "neue gesamteuropäische Friedens- und Sicherheitsordnung" einsetzen. Diese solle "längerfristig auch Russland" einschließen. Konkret fordert das Bündnis Sahra Wagenknecht einen "Waffenstillstand und konstruktive Friedensverhandlungen für die Ukraine". Die Europäische Union solle bei Wladimir Putin für einen Waffenstillstand werben. Dafür solle Putin ein Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine angeboten werden. Im Gegenzug solle der Ukraine Hilfsgeld versprochen werden, sowie "weitere Unterstützung", wie es etwas nebulös heißt.Einen EU-Beitritt der Ukraine lehnt das Bündnis Sahra Wagenknecht ab. Das wäre finanziell "ein Fass ohne Boden" und ein "Aufgeben aller Ansprüche an Rechtsstaatlichkeit", heißt es in dem Programmentwurf. Die EU solle auch aus wirtschaftspolitischen Erwägungen den Kontakt zu Russland wieder intensivieren. Das BSW will Öl- und Gaslieferungen aus Russland wieder aufnehmen. Auch aus Klimaschutzgründen sei es wichtig, Kriege zu beenden, schreibt das BSW, "wenn man bedenkt, dass ein Kampfjet in einer Stunde mehr klimaschädliche Emissionen verursacht, als ein normaler Pkw-Fahrer in 17 Jahren".

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Klimapolitik: keine Verbote, sondern Technologieoffenheit

Sowieso findet das Bündnis um die ehemalige Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht, dass die bisherige Energiepolitik Europa wirtschaftlich zurückwirft. Die bisherige Klimapolitik verteuere das Leben der Menschen und "vertreibe" Schlüsselindustrien aus Europa, so steht es im Programmentwurf. "Wir brauchen eine Reindustrialisierung Europas, die Arbeitsplätze und Wohlstand zurückbringt", schreibt das BSW und wendet sich gegen das bereits beschlossene Verbot von Verbrennerautos in der EU ab dem Jahr 2035. Das Verbot zerstöre die deutsche Autoindustrie mit Hunderttausenden gut bezahlten Arbeitsplätzen, hat Wagenknecht bereits Anfang Januar auf der Pressekonferenz anlässlich der Parteigründung gesagt. Das BSW wendet sich auch gegen den CO₂-Zertifikatehandel in der EU. Dieser sei lediglich ein "attraktives Spekulationsobjekt". Wer versuche, Menschen über eine Verteuerung ihres Lebens "umzuerziehen, schadet der Akzeptanz des Klimaschutzes". Laut BSW brauche es "technologische Innovation" und "vernünftige Anreize", um den Klimawandel zu bekämpfen. Aber auch auf Kohlekraftwerke will das Bündnis nicht verzichten, obwohl diese als CO₂-Schleudern gelten. Es brauche Kohlekraftwerke für die Energieversorgung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen in den betroffenen Regionen, argumentiert das BSW. Kraftwerke könnten neu gebaut und ältere saniert werden.

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Distanz zu EU-Institutionen

In seinem Programm zur Europawahl lässt das BSW außerdem eine klare Distanz zu den EU-Institutionen wie der Kommission erkennen: "Europa darf nicht länger das Eldorado von Lobbyisten sein, (...) die ohne demokratische Legitimation Hinterzimmerdeals schließen", heißt es da. Es wird geschimpft auf "Kafkaesk ausufernde EU-Regelungswut und Berichtpflichten, die den in Brüssel einflussreichen Lobbys nutzen und dem Mittelstand besonders schaden".Das BSW will daher den gemeinsamen EU-Haushalt deckeln und wendet sich gegen das Einstimmigkeitsprinzip der EU-Staaten in wichtigen Entscheidungen. Grundsätzlich soll der Einfluss Brüssels zurückgedrängt werden. Stattdessen sollten die Mitgliedsstaaten in vielen Belangen wieder mehr Macht und Gestaltungsfreiheit bekommen, fordert die neue Partei. In der Außen- und Sicherheitspolitik solle die EU allerdings künftig doch mit einer Stimme sprechen, argumentiert das BSW: Europa solle sich unabhängig von den USA machen und als "eigenständiger Akteur auf der Weltbühne" auftreten. Wie das bei der geforderten Renationalisierung funktionieren soll, bleibt offen.

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Zurückhaltend beim Thema Migration

Beim Thema Migration gibt sich das BSW auffallend zurückhaltend. Es spricht sich für EU-Verfahren an Außengrenzen aus und mahnt an, dabei auf menschenwürdige Bedingungen, insbesondere für Kinder, zu achten. Fluchtursachen müssten bekämpft und Schlepperbanden bekämpft werden. So könnten das auch die SPD und Grüne formulieren. Eine Warnung vor "islamisch geprägten Parallelgesellschaften" wie in Frankreich wird nicht weiter ausgeführt, das Recht auf Asyl und auf europäischen Flüchtlingsschutz soll bestehen bleiben.

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Denkzettel für die Ampel

Dass der Absatz im EU-Wahlprogramm so schwammig bleibt, könnte daran liegen, dass die beiden EU-Spitzenkandidaten Fabio de Masi und Thomas Geisel auf ihrer ersten Pressekonferenz Anfang Januar durchaus unterschiedliche Ansichten des Asylrechts erkennen ließen. Die Wahl am 9. Juni wird der erste wichtige Stimmungstest für das BSW vor den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst. Das BSW formuliert auch ganz offen, dass es ihr bei dieser Wahl nicht nur um Europa geht. Eine Stimme für BSW sei "eine Stimme für ein besseres Europa und ein Denkzettel für die Ampel in Deutschland", heißt es in dem Entwurf.

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Author: Mrs. Angelic Larkin

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